Neue Erkenntnisse zur Erfahrungswelt von Menschen mit pädophilen Neigungen: Implikationen für Prävention und Therapie
15. Februar 2024
Die Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der auch die Arbeit mit Menschen, die eine sexuelle Ansprechbarkeit für das kindliche Körperschema aufweisen, eine wichtige Rolle spielt. Der vorliegende Beitrag basiert hauptsächlich auf einer aktuellen Übersichtsarbeit von Ian V. McPhail (2024) zur subjektiven Erfahrungswelt von Personen mit pädohebephilen Interessen. Unter Pädohebephilie versteht man dabei sexuelle Anziehung zu präpubertären und/oder pubertären Kindern. McPhail’s umfassende Analyse der aktuellen Forschung bietet wichtige Einblicke in die Komplexität dieses Themas. Der Artikel richtet sich sowohl an Fachkräfte als auch an Betroffene und soll zu einem vertieften Verständnis dieser komplexen Thematik beitragen.
Haupterkenntnisse
1. Verteilung und Entwicklung pädohebephiler Präferenz
McPhail (2024) fasst die aktuellen Forschungsergebnisse zusammen, die darauf hindeuten, dass pädohebephile Interessen in der Bevölkerung kategorial verteilt sind. Er zitiert Studien von Bártová et al. (2020) und Joyal und Carpentier (2022), die von Prävalenzraten zwischen 0,6% und 2,5% bei Männern berichten, sowie Untersuchungen von Stephens et al. (2021) und Tozdan et al. (2022), die die Prävalenz bei Frauen auf 0,1-0,2% schätzen.
Hinsichtlich der Entwicklung der pädohebephilen Sexualpräferenz berichtet McPhail von Studien, die zeigen, dass diese sich bereits früh manifestiert. So manifestiert sich das Bewusstsein für die Anziehung zu Kindern typischerweise in der Adoleszenz, zwischen 12-16 Jahren, wie Tozdan und Briken (2019) feststellten.
2. Psychosoziale Merkmale und Herausforderungen
McPhail (2024) hebt hervor, dass Menschen mit pädohebephiler Präferenz häufig von erheblichen psychischen Belastungen berichten. Er verweist auf die Studie von Elchuk et al. (2022), die zeigt, dass Betroffene im Vergleich zu anderen Populationen deutlich höhere Raten von Einsamkeit und Suizidalität aufweisen. Diese Probleme scheinen oft mit Stigmatisierungserfahrungen und internalisierter Scham zusammenzuhängen.
Ein zentrales Thema in McPhail’s Übersicht ist die Frage der Offenlegung der sexuellen Präferenz gegenüber anderen. Er berichtet, dass viele Betroffene negative Reaktionen und soziale Ausgrenzung befürchten. Gleichzeitig kann eine Offenlegung gegenüber vertrauenswürdigen Personen auch entlastend wirken und soziale Unterstützung ermöglichen, wie Grady et al. (2019) feststellten.
3. Sexuelles Verhalten und Risikofaktoren
McPhail’s (2024) Analyse des Forschungsstandes zeigt, dass ein erheblicher Teil der Menschen mit pädohebephiler Ansprechbarkeit keine sexuellen Übergriffe begeht. Allerdings variieren die Berichte je nach Stichprobe erheblich. Er zitiert Studien, die in Online-Stichproben Raten von 13-27% für sexuellen Kontakt mit Kindern finden, während in klinischen Stichproben bis zu 90% solche Kontakte angeben (Cohen et al., 2018; Wittström et al., 2020).
McPhail hebt die Arbeit von Stephens et al. (2023) hervor, die als Risikofaktoren für sexuell übergriffiges Verhalten unter anderem höhere Raten von Interesse an Zwangssexualität, Hypersexualität, sexuellem Interesse an Jungen und Pädohebephilie identifizierten.
Risikofaktoren | Schutzfaktoren |
---|---|
Exklusive sexuelle Anziehung zu Kindern | Fähigkeit, gesunde Beziehungen zu Erwachsenen aufzubauen |
Hypersexualität | Gute Impulskontrolle |
Kognitive Verzerrungen bezüglich der Schädlichkeit sexueller Kontakte mit Kindern | Realistische Einschätzung der Folgen sexueller Übergriffe |
Soziale Isolation | Soziale Unterstützung |
Substanzmissbrauch | Effektive Bewältigungsstrategien |
Zugang zu und Nutzung von Abbildungen sexuellen Kindesmissbrauchs | Teilnahme an präventiven Therapieangeboten |
Tabelle: Risiko- und Schutzfaktoren bezüglich sexuell übergriffigen Verhaltens bei Menschen mit pädohebephiler Ansprechbarkeit
4. Behandlungspräferenzen und -barrieren
In seiner Übersicht berichtet McPhail (2024) von neueren Delphi- und Umfragestudien, die zeigen, dass Personen mit Pädohebephilie sich in der Therapie einen Fokus auf psychische Gesundheit, Wohlbefinden, Umgang mit Stigma und Scham sowie die Förderung gesunder und unterstützender Beziehungen wünschen (Stephens et al., 2023; Lievesley et al., 2023). Gleichzeitig bestehen häufig Ängste vor Stigmatisierung durch Therapeuten und Unsicherheiten bezüglich der Schweigepflicht, wie auch von Grady et al. (2019) festgestellt wurde.
McPhail weist darauf hin, dass Therapeuten dagegen oft die Bedeutung der Risikoeinschätzung und -reduktion bezüglich sexuell übergriffigen Verhaltens betonen. Diese unterschiedlichen Perspektiven können zu Spannungen in der therapeutischen Beziehung führen (Lievesley et al., 2023).
Praktische Implikationen
Basierend auf McPhail’s (2024) Übersicht lassen sich wichtige Implikationen für die präventive und therapeutische Arbeit mit Menschen mit pädohebephiler Sexualpräferenz ableiten:
- Frühzeitige Unterstützung: Da sich das Bewusstsein für eine sexuelle Ansprechbarkeit durch das kindliche Körperschema oft schon in der Adoleszenz entwickelt, sollten Präventions- und Unterstützungsangebote bereits für Jugendliche und junge Erwachsene zur Verfügung stehen.
- Ganzheitlicher Behandlungsansatz: Therapeutische Angebote sollten sowohl die psychische Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen als auch die Prävention sexuell übergriffigen Verhaltens im Blick haben. Eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung ist dafür unerlässlich.
- Entstigmatisierung: Um Behandlungsbarrieren abzubauen, ist eine Entstigmatisierung pädophiler Menschen, die keine Übergriffe begehen, wichtig. Fachkräfte sollten sich ihrer eigenen Vorurteile bewusst werden und diese reflektieren.
- Differenzierte Risikoeinschätzung: McPhail’s Analyse unterstreicht, dass eine pädophile Ansprechbarkeit nicht zwangsläufig zu Übergriffen führt. Eine sorgfältige individuelle Risikoeinschätzung unter Berücksichtigung bekannter Risikofaktoren ist notwendig, wie auch von Babchishin et al. (2019) betont wird.
- Förderung sozialer Unterstützung: Da sich Offenlegung und soziale Unterstützung positiv auf die psychische Gesundheit auswirken können, sollten Betroffene dabei unterstützt werden, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen (Elchuk et al., 2022).
Fazit
In seiner umfassenden Übersichtsarbeit verdeutlicht McPhail (2024) die Komplexität und die vielfältigen Herausforderungen, mit denen Personen mit pädohebephiler Ansprechbarkeit konfrontiert sind. Seine Analyse des aktuellen Forschungsstandes unterstreicht die Notwendigkeit, sowohl die Bedürfnisse und Erfahrungen der Betroffenen als auch wissenschaftliche Erkenntnisse zu Risikofaktoren zu berücksichtigen, um effektive Präventions- und Hilfsangebote zu entwickeln.
Literaturverzeichnis
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Joyal, C. C., & Carpentier, J. (2022). Concordance and discordance between paraphilic interests and behaviors: A follow-up study. The Journal of Sex Research, 59(3), 385-390. https://doi.org/10.1080/00224499.2021.1986801
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Stephens, S., McPhail, I. V., Heasman, A., & Moss, S. (2023). Examining psychologically meaningful risk factors for detected sexual offending in a community sample of individuals with and without sexual interest in children. Journal of Sexual Aggression. https://doi.org/10.1080/13552600.2023.2192241
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Wittström, F., Långström, N., Landgren, V., & Rahm, C. (2020). Risk factors for sexual offending in self-referred men with pedophilic disorder: A Swedish case-control study. Frontiers in Psychology, 11, 571775. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.571775