Hilfe für Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen
Wir bieten einen geschützten Rahmen und ein wissenschaftlich fundiertes Therapiekonzept, das mit über zweitausend Personen erprobt wurde. Wir erarbeiten mit Personen mit sexuellem Interesse an Kindern Wege zu einem gesetzeskonformen, zufriedenen und sozial integrierten Leben. Nachfolgend finden Sie Informationen über Teilnahmevoraussetzungen sowie Ablauf und Ziele des Therapieangebots. Darüber hinaus geben wir Einblick in Erfahrungsberichte von ehemaligen Teilnehmern, beantworten häufig gestellten Fragen und geben einen Überblick über die Anbieter im Bundesgebiet.
Teilnahmevoraussetzung
Unser Angebot richtet sich an Frauen und Männer, Jugendliche und Erwachsene.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie sind vor allem Offenheit, das Einbringen relevanter Probleme, regelmäßige Mitarbeit sowie der Wille, keine sexuellen Übergriffe auf Kinder zu begehen und/oder Missbrauchsabbildungen zu konsumieren.
Unser Hilfsangebot steht Ihnen unabhängig davon zur Verfügung, ob Sie in der Vergangenheit sexuelle Übergriffe begangen oder Abbildungen sexuellen Kindesmissbrauchs (sog. Kinderpornografie) genutzt haben.
Während eines laufenden Ermittlungsverfahrens vermitteln wir Sie gerne an andere Stelle weiter, können jedoch erst nach Abschluss des Verfahrens und Verbüßung einer ggf. verhängten Strafe ein Therapieangebot unterbreiten.
Ablauf und Ziele
Die Therapie erfolgt kostenlos und unter Schweigepflicht
Wir unterstützen Sie, wenn Sie sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen, darunter leiden und deswegen Hilfe suchen. Es wird ein breites und effektives Repertoire an Verhaltensstrategien vermittelt, die es Ihnen ermöglichen, diesen Bereich Ihres Lebens adäquat zu bewältigen und insbesondere die sexuellen Impulse gegenüber Kindern effektiv zu kontrollieren.
Ihr Therapieplan wird individuell erarbeitet
Die Behandlung folgt einem strukturierten Therapieplan, berücksichtigt aber Ihre individuellen Bedürfnisse und erfolgt in Absprache mit Ihnen. Sie integriert psychologische, sexualwissenschaftliche und medizinische Ansätze sowie die Möglichkeit einer zusätzlichen medikamentösen Unterstützung. Angehörige können – sofern gewünscht – einbezogen werden.
Erfahrungsberichte von hilfesuchenden Personen mit sexuellem Interesse an Kindern
Sämtliche Zitate stammen von Menschen, die eine Therapie im Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ absolviert haben oder sich zum Zeitpunkt der Interviews in Therapie befanden. Sie sprechen über ihre Erfahrungen und geben weiter, wie sie lernen bzw. gelernt haben, mit ihrer sexuellen Präferenz und ihren Fantasien zu leben.
Mit 15 oder 16 habe ich gemerkt, dass ich mich Jüngeren zugewandt fühle – ein eigenartiges Gefühl, weil man normalerweise eher die Gleichaltrigen interessant finden sollte. Zu dem Zeitpunkt fand ich aber die zehn- oder zwölfjährigen Mädchen interessanter. In dem Alter mit 15 ist das ja noch okay, aber ich fand es komisch. Dann habe ich es verdrängt. Als es mit 18 oder 19 immer noch so war, dass Jüngere für mich interessanter waren, habe ich angefangen, mir ernsthaft Gedanken zu machen. Bis Mitte 20 hatte ich immer das Gefühl, okay, das kriege ich schon irgendwie in den Griff.
Als sich meine Freunde, im Gegensatz zu mir, für gleichaltrige Mädchen interessiert haben, wurde mir klar, dass ich anders bin, konnte es aber noch nicht richtig einordnen. Mitteilen konnte ich mich niemandem, die Angst davor war einfach zu groß. So habe ich mich immer versteckt und bin unangenehmen Fragen ausgewichen.
Es war irritierend, und ich fühlte mich nicht ganz normal, habe das aber immer zur Seite gedrängt und dachte, das ist vielleicht nur so eine Phase, die ich durchlebe und dass sich das später noch mal ändern wird.
Das erste Mal habe ich ungefähr im Alter von 24 Jahren gemerkt, dass ich mich sexuell zu Kindern hingezogen fühle. Das war ein Sommertag. Ich hatte meine erste eigene Wohnung und habe aus dem Fenster gesehen. Da liefen leicht bekleidete Mädchen vorbei, wie es im Sommer so ist. Und da habe ich das erste Mal gemerkt, dass ich mich stark zu ihnen hingezogen gefühlt habe.
Als ich 25 war, in dem Dreh, habe ich gemerkt, dass es doch irgendwie ein Problem ist. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm ist, habe gedacht, das geht bestimmt wieder weg, aber im Endeffekt wurde der Gedanke immer schlimmer. Dann fing es auch an, dass ich mir Material aus dem Internet besorgt habe, weil es einen Ausgleich geben musste. Ich wusste genau, dass ich mich nicht an Kinder wenden kann, das war mir immer klar. Es ist allerdings schwer umzusetzen, weil es immer ein Gefühl ist, was in mir drin steckt, ganz normale Gefühle der Liebe oder Geborgenheit, sich jemand zugewandt fühlen, und das ist immer ein Problem.
Zuerst wollte ich es nicht wahr haben, verdrängte die Gefühle, unterdrückte das Verlangen. Später begann ich mich immer mehr aus dem sozialen Leben zurückzuziehen. Ich vernachlässigte Freundschaften, Familie und Kollegen, aus Angst, dass meine sexuelle Präferenz entdeckt werden könnte, aber auch aus Scham und wachsendem Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den Menschen, die mich als ihren Freund und Partner wertschätzten. Ich redete mir ein, ich verdiene ihre Zuneigung und Freundschaft nicht.
Schon in der Schule haben mich Mädchen interessiert, die wesentlich jünger waren als ich, und schon da habe ich gemerkt, dass andere das zum Teil komisch fanden. Ich habe mir noch wenig dabei gedacht, dass ich als 18-jähriger eine 14-jährige süß und attraktiv fand. Dennoch habe ich wohl da schon angefangen, nicht mehr darüber zu reden. Im Studium habe ich dann zum ersten Mal in einem Chat-Room einen Kontakt zu einer Chat-Partnerin gehabt, die sich selber als 14-jährig beschrieb. Ich wusste sofort, dass ich hier etwas Verbotenes getan hatte und ich von diesem Verbotenen mehr will. Es war in dieser Zeit, dass ich erstmals einem Psychologen davon berichtete in der Hoffnung, einen Weg zu finden, damit klar zu kommen. Leider fühlte ich mich bei den Gesprächen unverstanden und behalf mir deshalb damit, mir selbst solche Kontakte in Zukunft zu untersagen. Allerdings gelang das nicht auf Dauer.
Trotz vieler Anzeichen wollte ich mir fast bis zum 40. Geburtstag nicht eingestehen, „pädophil“ zu sein. Ich sagte allen, „noch nicht die Richtige gefunden zu haben“, „viele Enttäuschungen“ usw. Ich hatte durch das Unterrichten meines Instruments immer viel mit Kindern zu tun und habe dieses Vertrauen nie missbraucht. Aber umso lebhafter waren meine Fantasien. Durch einen dummen Zufall wurde meine sexuelle Präferenz bekannt und führte sogar zum Verlust meines Arbeitsplatzes.
Wirklich klar wurde es mir, als ich in kürzeren Abständen regelmäßig Kinderpornografie konsumiert habe und dem Bedürfnis nicht widerstehen konnte. Es war einerseits sehr erregend dieses Material zu sehen und gleichzeitig war ich voller Angst, weil ich dachte, dass man mich jederzeit erwischen kann. Da war dann auch immer die Unsicherheit, jederzeit rückfällig werden zu können. Und die Angst davor, dafür im Gefängnis zu landen, soziale Kontakte zu verlieren, ausgestoßen zu sein.
Während meiner Arbeit als Lehrer wurde es immer schlimmer. Ich hatte regelmäßig sexuelle Fantasien, in denen meine Schülerinnen vorkamen und konnte mit niemandem darüber reden. Auch meiner Frau verschwieg ich meine Vorlieben und ihre Vorhaltungen, mein Kontakt zu den Schülern sei nicht distanziert genug, dementierte ich heftig. Immer wieder zog es mich in Chat-Rooms und immer mehr kam das Verlangen, einer Schülerin näher zu kommen und diesen Drang zu befriedigen.
Das ist so ein Kreislauf: Es fehlt einem was, man fühlt sich schlecht, fühlt sich wertlos, und dann sucht man sich sein Ventil, obwohl man weiß, danach geht es einem noch schlechter. Wenn man sich diese Bilder im Internet ansieht, kommt irgendwann das schlechte Gewissen. Irgendwann ist man wieder raus aus der Situation, wo die Lust stärker ist als der Verstand, und dann realisiert man es, und dann geht es einem noch schlechter. Und man denkt, wenn du Pech hast, steht gleich die Polizei vor der Tür. Dann löscht man den Computer. Dann sucht man sich Ersatzbefriedigung in Form von Kinderpornografie oder auch mit Prostituierten. Man sucht sich so schlanke junge Prostituierte, die dem Kind-Schema entsprechen, die sucht man sich ganz bewusst. Und dann kommt man wieder nach Hause und denkt sich: Mist, ich habe richtige Scheiße gebaut!
Der Auslöser, warum ich hierhergekommen bin, ist ein Übergriff, den ich gegenüber einem Mädchen begangen habe, und zwar über das Internet. Ich habe sie gebeten, mir Material zu schicken, und das war der Auslöser, wo ich gemerkt habe, jetzt ist Schluss, das geht so nicht weiter.
Schließlich kam es doch zum Übergriff, und mir war danach sofort klar, dass ich eine Grenze überschritten hatte, obwohl nicht sehr viel passiert war. In den Wochen danach hatte ich immer mehr das Gefühl, dass mir alles entglitt. Dann folgten das Disziplinarverfahren und die Versetzung. Nun konnte ich endlich mein Problem aktiv angehen. Ich suchte wieder nach Hilfe, und endlich fand ich sie. Ich war jetzt so weit, dass ich meine Therapie voll Engagement und Enthusiasmus anging. Die erste Analyse am Telefon motivierte mich zusätzlich: Endlich stellte mir jemand die richtigen Fragen, und endlich konnte mir jemand einen Namen für mein Problem geben.
Auf Anraten meiner Frau ließ ich mich freiwillig in die Klinik für forensische Psychiatrie zur Beobachtung einweisen. Es war das Beste, was mir überhaupt passieren konnte. Dort hatte ich für fast drei Wochen bis zu meiner Entlassung die Möglichkeit das erste Mal mit Menschen zu sprechen, die mir helfen wollten. Dort bekam ich verschiedene Anlaufstellen und Behandlungswege aufgezeigt. Hier wurde ich auch das erste Mal auf das Projekt aufmerksam.
Ein Bekannter wies mich auf das Projekt hin. Ich rief an und bekam gleich einen Termin für ein anonymes Einzelgespräch mit einer Psychologin. Es folgten weitere Gespräche, dann mehrere Treffen einer „Infogruppe“ mit anderen Betroffenen. Von Anfang an war es sehr erleichternd, endlich offen über dieses Tabuthema sprechen zu können, ohne von irgendjemandem wegen meiner sexuellen Präferenz abgelehnt oder verurteilt zu werden.
Mir war eigentlich immer klar, dass ich Hilfe benötige. Allerdings habe ich mich sehr lange nicht getraut mit jemandem darüber zu reden. Das Thema war einfach ein zu großes Tabu. Bei dem „Kein Täter Werden“ – Projekt habe ich mich erst mal per Mail gemeldet, danach folgte ein Telefongespräch und ca. zwei Wochen später ein persönliches Gespräch mit einem der Therapeuten.
Diese Therapie hier war die letzte Möglichkeit, die ich noch gesehen habe. Ich habe dann doch endlich eine Mail hierher geschickt und sogar in der gleichen Woche einen Termin bekommen, bei dem ich mich erstmalig aussprechen konnte. Das ist auch so eine Sache: Wem soll man sich anvertrauen? Das erste Mal darüber zu reden, das war nicht einfach, zumal ich nicht derjenige bin, der groß über seine Gefühle spricht. Das ist ganz schön schwer, aber es ist eben auch eine Erleichterung, denn das habe ich über Jahre mit mir herum getragen. Und dann ist da einer, der nicht gleich sagt, du bist der letzte Abschaum der Welt, der sich auch mit der ganzen Thematik auskennt, das ist ja auch wichtig.
Mir war klar, dass ich Hilfe brauche, wenn ich halbwegs normal weiterleben will. Zuerst dachte ich, dafür gibt es keine Hilfe. Ich muss damit selber kämpfen, mich zusammenreißen. Ich hatte irgendwo mal etwas von diesem Projekt gehört oder gelesen – ich weiß nicht mehr. Dann habe ich im Internet gesucht und die Telefonnummer gefunden. Und dort angerufen, auch wenn es einige Überwindung gekostet hat. Am anderen Ende war ein sehr netter und verständnisvoller Mensch. Dann bin ich zu meinem ersten Gespräch gefahren. Ich war ziemlich aufgeregt, weil ich nicht wusste, wie die Leute dort reagieren. Machen die mir Vorwürfe, beschimpfen die mich? Sagen die mir, ich sei ein Perverser? Aber die Sorgen waren unbegründet. Das Personal war sehr nett und hilfsbereit. Es war erleichternd, darüber reden zu können.
Ich war der Meinung, das hab‘ ich relativ unter Kontrolle. Dann hat es meine Familie erfahren, und die haben gesagt, dass ich Hilfe brauche und was unternehmen muss. Da habe ich auch zugestimmt und endlich eingesehen, dass ich tatsächlich Hilfe brauche. Man denkt, dass man alles im Griff hat, obwohl das gar nicht stimmt. Ich bin froh, dass ich in das Projekt aufgenommen werden konnte.
Vor der ersten Sitzung gingen mir viele Gedanken durch den Kopf. Was für Leute sind da wohl? Kenne ich womöglich jemanden? Was denken die von mir? Kann ich wirklich alles sagen? Sperren die mich ein, wenn die hören, was ich getan habe?
Eine letzte Hürde waren die ersten Sitzungen, vor allem die allererste, da ich mir nicht vorstellen konnte, wie es sein würde, andere Männer mit meinem Problem kennenzulernen. Aber sehr schnell merkte ich, dass es mir gar nicht so schwer fiel, mich in der Runde zu öffnen.
Ich hatte noch nie mit jemanden so darüber gesprochen und wusste nicht, wie Therapie ist. Mir war auch bange, weil die Therapeutin eine Frau war. Dann habe ich mich gewundert, wie leicht mir das Reden fiel, weil wir in der Gruppe alle dasselbe Problem haben: Wir sind alle pädophil.
Besonders der Kontakt und die Gespräche mit den anderen Gruppenteilnehmern waren sehr hilfreich, da ich immer das Gefühl hatte, von den Anderen besonders gut verstanden zu werden.
Jeder kann alles sagen. Keiner wird schief angesehen. Die Therapeuten sind sehr vertrauenswürdig.
So eine Gruppensitzung startet mit einer Eröffnungsrunde. Dann gibt es ein Thema, das sich manchmal auch aus der Eröffnungsrunde ergibt. Nach den zwei Stunden gibt es noch eine Schlussrunde, wo man noch mal reflektiert, was hat man mitgenommen von den zwei Stunden, und dann ist die Sitzung zu Ende, manchmal mit einer Aufgabe, die man dann im Laufe der Woche alleine macht, z.B. ein Tagebuch führen.
Wir bekommen Aufgaben für die Zeit zwischen den Gruppensitzungen. Das können Situationen sein, die man erlebt hat, beispielsweise eine Begegnung mit einem Mädchen, dazu einen Impuls und eine Reaktion. Zum Beispiel denkt man: „die würde mir schon gefallen“. In der Therapie lerne ich, diese inneren Vorgänge zu verstehen, aufzudröseln und zu überlegen, ob und was ich hätte anders machen können. Ich kriege mit, dass die sexuelle Präferenz nur ein Teil von mir ist. Meine Wahrnehmung verändert sich. Vorher war ich sehr unsicher, mit ganz wenig Selbstwertgefühl. Jetzt fühle ich mich ausgeglichener – ich mag mich viel mehr.
Die Themen sind vielschichtig und nicht allein nur auf die sexuelle Präferenz bezogen. Ich erhalte Zuspruch und neue Kraft aus der Gruppe, um mein Leben zuversichtlicher und stabiler meistern zu können. Jeder ist ein Teil des Ganzen, und alle Gespräche werden absolut vertraulich behandelt.
Ich habe ja auch verdrängt, dass mit den Fotos Kinder missbraucht werden. In der Therapie lerne ich, mir diesen Teufelskreis bewusst zu machen.
Oft fängt es ganz harmlos an: Du sitzt am PC, fängst an, normale Pornos zu suchen, dann wird das Schema immer jünger, die Frauen immer jünger, die Bilder werden härter, man gibt „Teen“ ein und schon ist man mittendrin und hat den „point of no return“ längst überschritten. Die Kunst ist, dass ich mich so gut kennen lerne, dass ich mich so kontrollieren kann, um nicht in solche Situationen zu kommen. Das lerne ich hier.
Ich will gar nicht erst in Versuchung geraten, mir Kinderpornografie anzugucken. Die Therapie soll mich dabei unterstützen ein Leben zu führen, ohne jemals einen sexuellen Übergriff auf ein Kind zu begehen, und da unterstützt sie mich ziemlich gut.
Nach zwei Monaten wollte ich die Therapie hinschmeißen, weil alles so wehgetan hat. Ich fühlte mich so schlecht, weil alles an die Oberfläche kam. Dann hatte ich wieder depressive Schübe. Manchmal habe ich mir gewünscht, dass ich tot bin. Aber ich habe weiter gemacht. Heute bin ich froh darüber. Dieser Weg lohnt sich, aber er ist hart. Zu Anfang fließen Tränen, es geht einem schlecht, es stürzt alles über einem ein. Hier werde ich immerhin ein Stück weit aufgefangen und kriege es erklärt.
Dann kam die Aufgabe, eine Missbrauchssituation selber im Rollenspiel nachzuspielen. Beim ersten dieser Rollenspiele spielte ich einen der anderen Gruppenteilnehmer, also den Täter. Ich war danach ziemlich mitgenommen und verspürte wenig Lust darauf, noch einmal so ein Rollenspiel durchzumachen. Zuletzt aber spielte ich ein Opfer, eine Schülerin. Ich fühlte mich ganz und gar in dieser Situation und in der Gefühlswelt meines Opfers. Endlich verstand ich die Hilflosigkeit, die Scham, die Ängste, und das Gefühl des Ausgenutzt-werdens. Und endlich wurde aus meiner Überlegung, dass es in der Verantwortung des Erwachsenen liegen muss, dass es nicht zu einem sexuellen Kontakt zu Kindern oder Jugendlichen kommt, eine feste und unumstößliche Überzeugung. Ich hatte am eigenen Leib erfahren, dass das Opfer eben keine Mitschuld trifft, dass es dem Tun des Täters eben nicht unbedingt Einhalt gebieten kann, selbst dann nicht, wenn es ihm vorher gesagt wurde. Was ich vorher nur für falsch hielt, ohne diese Falschheit zu spüren, bekam nun auch eine tiefe emotionale Dimension. Ich wusste, dass ein Übergriff immer falsch ist, weil ich es selber am eigenen Leib erfahren hatte. Kurz nach dieser Einheit vergrößerte sich unsere Gruppe, und es kamen ein paar Männer hinzu, die erst am Anfang ihrer Therapie standen. Hier wurde mir dann immer wieder vor Augen geführt, welchen weiten Weg ich bereits jetzt schon gegangen war, und es kam bald die Zeit, da ich spürte, dass ich genug über mich und meine Neigung gelernt hatte, dass ich diesen Weg auf eigenen Beinen weitergehen konnte.
Ganz früher bin ich schwimmen gegangen, um zu gucken, oder ich bin bei einem Schulhof vorbeigegangen, um zu gucken. Danach habe ich es ganz vermieden, weil ich das nicht mehr wollte. Aber jetzt geht es wieder, jetzt gehe ich nur noch schwimmen, weil ich schwimmen will, denn seit ich hier bin, habe ich riesige Fortschritte gemacht. Ich bin fertig mit der Therapie, wenn ich mir hundertprozentig sicher bin, dass ich verantwortungsvoll handle, das ist es, was ich will.
Was das Ende meiner Therapie betrifft, bin ich optimistisch. Ich habe gelernt, mit meinem sexuellen Interesse und meinen Problemen umzugehen. Ich habe ein Netzwerk aus Freunden und anderen Personen aufgebaut, die mich kennen und von meiner sexuellen Präferenz wissen. Ich weiß jetzt, wo ich professionelle Hilfe finde, und das macht mich optimistisch, in Zukunft klar zu kommen.
Ich weiß nicht, wann das Ende der Therapie ist. Doch selbst wenn die Sitzungen irgendwann aufhören, dann muss ich doch immer an mir arbeiten.
Ich weiß jetzt, dass ich vernünftig leben kann. Die Gruppe war ein wichtiger Halt für mich.
Heute kann ich, selbst wenn ich sexuelle Lust habe, problemlos am PC surfen, und ich rufe nicht eine einzige Pornoseite mehr auf. Ich gucke harmlose Dinge, wie Computerthemen oder Sport.
Meine sexuelle Präferenz spüre ich nach wie vor, sie hat aber ihren Schrecken verloren und auch einen großen Teil ihrer Bedeutung. Da ich mir meiner Verantwortung bewusst bin, fühle ich mich im Umgang mit Jugendlichen sicher und weiß, wo ich mir Hilfe holen kann, wenn ich das Gefühl habe, die Kontrolle zu verlieren. Da aber aufgrund meiner neu gewonnen Überzeugung mein Drang zum Sex mit Jugendlichen enorm nachgelassen hat, kam eine solche Situation bisher nicht wieder vor.
Vor einem Jahr habe ich es meinen Eltern erzählt. Nachdem meine Freundin Bescheid wusste, sollten sie das auch erfahren. Zuerst war es ein Schock, vor allem für meine Mutter. Für meinen Vater war es vielleicht nicht ganz so schlimm. Das Verhältnis war dann eine Weile anders, irgendwie gestört. Sie haben das nicht richtig einschätzen können und nicht verstanden, dass ich nicht gleich jedes Mädel anfassen muss, wenn in der Verwandtschaft oder Bekanntschaft eine Jugendliche auftaucht, also dass sie mich nicht von Mädchen fern halten müssen. Mittlerweile ist es wieder besser geworden. Sie haben mir dann auch gesagt, dass ich weiterhin ihr Sohn bin. Das war ihnen offenbar wichtig, mir mitzuteilen.
Beruflich habe ich mich sehr verändert und arbeite jetzt nur noch mit Erwachsenen zusammen. Zu meiner Überraschung weine ich dem Lehrerdasein, das ich lange für mich als meinen absoluten Traumberuf empfand, keine Träne hinterher, sondern genieße meine neue Tätigkeit sehr. Alle meine Freunde wissen um das, was mit mir ist und fast alle unterstützen mich auf meinem Weg und bleiben an meiner Seite, was eine sehr schöne Erfahrung ist.
Ich habe mit meiner damaligen Freundin und mit einigen sehr engen Freunden über diese Therapie gesprochen. Ihre Reaktion war sehr überraschend für mich, weil sie überhaupt nicht negativ reagiert haben. Natürlich hat sie das irritiert, und sie waren unsicher, wie sie damit umgehen sollen. Zum Teil haben sie selber Kinder. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass sie mir vertrauen. Dass sie wissen, dass ich ihren Kindern nie etwas tun würde. Alle meine Freunde, mit denen ich gesprochen habe – enge Freunde – sind immer noch meine Freunde.
Meine Eltern wissen Bescheid, ein Teil meiner Großeltern, meine engsten Freunde und verschiedene Leute aus meinem Verein wissen Bescheid. Das war mir wichtig, dass sie es wissen. Ich wollte ihnen einerseits klarmachen, warum es für mich manchmal anstrengend war, entweder zu Babysitten innerhalb der Familie oder aber zum Beispiel im Sommer in Freibäder oder so was zu gehen. Und das konnte ich ihnen damals nicht klarmachen und wurde komisch angeguckt. Mittlerweile haben sie es akzeptiert und versuchen, mich meinen Weg gehen zu lassen.
Wenn ich heute Frust habe, kriege ich den selber weg. Ich gucke, was passiert ist, warum ich Frust habe, wenn ich falsch reagiert habe. Diese Veränderung wirkt sich auf alles aus: Arbeit, privat, Hobby. Ich weiß, dass ich für meine Handlungen verantwortlich bin. Ich sehe heute meine Stärken, während ich früher nur meine Schwächen gesehen habe, und ich kann mich kontrollieren. Wenn ich merke, ich komme in eine gefährliche Situation, dann verlasse ich die. Einmal ist mir das passiert, in der Sauna. Dann bin ich aufgestanden, habe geduscht und bin gegangen, fertig. Und danach war ich stolz. Weil, wie gesagt, ich bin der, der die Verantwortung hat. Ein Kind oder ein Jugendlicher kann das nicht, die Verantwortung muss ich übernehmen.
Der wichtigste Teil der Therapie war für mich, zwischen Fantasien und der Verantwortung für mein sexuelles Verhalten zu trennen. Ich kann es nicht verhindern, dass mich Kinder erregen, aber was ich tun kann, ist keinerlei sexuellen Kontakt mit Kindern zu haben.
Am Ende der Therapie hatte ich ein neues Lebensgefühl. Ich bin selbstsicherer und habe die Kraft erlangt, verantwortlich durchs Leben zu gehen. Ich habe gelernt mit meinen Gefühlen umzugehen und wie ich mich und insbesondere Kinder bewusst schützen kann. Aus dieser Erkenntnis und der Akzeptanz meines eigenen Ichs, aus dem neu erlernten Verantwortungsbewusstsein sowie nicht zuletzt durch die Kraft und den Halt, die mir meine Familie gibt, habe ich wieder den Lebensmut und die Zufriedenheit erlangt, um sagen zu können: Ich bin ein glücklicherer Mensch und kann zufrieden leben.
Das Wichtigste ist aber, dass auch meine Frau wieder an meiner Seite ist und ich meine Familie wieder habe. Natürlich gibt es immer wieder Stiche, zum Beispiel wenn wir uns an die Zeit der Trennung erinnern. Oder wenn das Gespräch auf meine sexuelle Präferenz kommt und ich die Angst meiner Frau spüre, die ihr diese immer noch macht. Doch diese dunklen Momente sind sehr wenige, und zu meiner Überraschung stelle ich immer wieder fest, dass ich sehr glücklich bin. Ich habe mich in den vergangenen Jahren so grundlegend verändert, wie ich das nicht für möglich gehalten hätte. Mein Selbstbewusstsein ist enorm gewachsen, ich bin stressresistenter und ausgeglichener.
Nach dem Ende der eigentlichen Therapie ist die Nachsorgegruppe ein hilfreiches Angebot, um weiterhin in Kontakt zu bleiben und meine Ziele im Auge zu behalten. Vor der Therapie habe ich mir nicht vorstellen können, mit dieser sexuellen Präferenz ein normales und zufriedenes Leben führen zu können. Im Laufe der Therapie wurde mir klar, dass dies doch möglich ist. Ich verurteile und hasse mich nicht mehr für mein sexuelles Interesse, da ich weiß, dass ich nichts dafür kann. Mit dieser sexuellen Präferenz ist jedoch die große Verantwortung verbunden, niemandem Schaden zuzufügen. Diese Aufgabe begleitet mich mein Leben lang.