Frauen mit sexuellem Interesse an Kindern
28. November 2021
Sexuelles Interesse an Kindern wird überwiegend als fast ausschließlich männliches Phänomen betrachtet. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass auch Frauen ein solches Interesse entwickeln können. Dieser Artikel fasst die Erkenntnisse einer aktuellen Studie von Tozdan, Briken und Schröder (2022) zusammen, die erstmals detailliert Charakteristika von Frauen mit selbstberichtetem sexuellem Interesse an Kindern untersuchte. Für Fachkräfte in der Präventionsarbeit sind diese Erkenntnisse von großer Bedeutung, da sie Implikationen für Risikoeinschätzung, Behandlungsansätze und die Gestaltung von Therapieangeboten haben.
Zentrale Begriffe:
- Sexuelles Interesse an Kindern: Umfasst sowohl pädophiles (sexuelles Interesse an vorpubertären Kindern) als auch hebephiles (sexuelles Interesse an pubertären Kindern) Interesse.
- Nicht-forensische Stichprobe: Teilnehmerinnen, die nicht aufgrund von sexuellen Übergriffen strafrechtlich in Erscheinung getreten sind.
Haupterkenntnisse der Studie:
Prävalenz und demografische Merkmale
Die Studie rekrutierte 52 erwachsene Frauen mit selbstberichtetem sexuellem Interesse an Kindern unter 14 Jahren. Das Durchschnittsalter der Teilnehmerinnen betrug 33,2 Jahre, wobei über die Hälfte (56%) einen hohen Bildungsabschluss aufwies. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass sexuelles Interesse an Kindern bei Frauen häufiger vorkommen könnte als bisher angenommen und sich über verschiedene Alters- und Bildungsgruppen erstreckt.
Sexuelle Orientierung und Partnerschaften
Bemerkenswert ist, dass 67% der Teilnehmerinnen angaben, sich sexuell zu Männern und Frauen hingezogen zu fühlen – ein deutlich höherer Anteil als in der allgemeinen weiblichen Bevölkerung. Fast die Hälfte (46%) befand sich in einer festen Partnerschaft, meist mit erwachsenen Partnern. Diese Ergebnisse unterstreichen die Komplexität der sexuellen Orientierung bei Frauen mit Interesse an Kindern und zeigen, dass viele von ihnen in der Lage sind, Beziehungen zu Erwachsenen zu führen.
Merkmale des sexuellen Interesses an Kindern
Die Mehrheit der Teilnehmerinnen (60%) erfüllte die diagnostischen Kriterien für eine pädophile Störung nach ICD-11. Das durchschnittliche Alter bei Beginn des sexuellen Interesses an Kindern lag bei 17,4 Jahren. Wichtig ist, dass 90% der Frauen angaben, auch ein sexuelles Interesse an Erwachsenen zu haben. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das sexuelle Interesse an Kindern bei Frauen oft nicht exklusiv ist und sich erst im späten Jugendalter oder frühen Erwachsenenalter manifestiert.
Konsum von Missbrauchsabbildungen und Behandlungserfahrungen
Mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen (58%) berichtete den Konsum von Missbrauchsabbildungen, wobei 47% der Gesamtstichprobe angaben, Material mit realen Kindern zu nutzen. Fast ein Drittel (29%) hatte bereits professionelle Hilfe aufgrund ihres sexuellen Interesses an Kindern gesucht. Diese Zahlen verdeutlichen den Bedarf an spezifischen Präventions- und Behandlungsangeboten für Frauen.
Praktische Implikationen:
- Sensibilisierung und Schulung von Fachkräften: Es ist wichtig, dass Fachkräfte in der Präventionsarbeit und im Gesundheitswesen für die Möglichkeit eines sexuellen Interesses an Kindern bei Frauen sensibilisiert werden. Schulungen sollten die spezifischen Charakteristika und Bedürfnisse dieser Gruppe berücksichtigen.
- Anpassung von Präventions- und Therapieprogrammen: Bestehende Programme zur Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs sollten überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, um die Bedürfnisse von Frauen mit sexuellem Interesse an Kindern zu berücksichtigen. Dies könnte spezifische Therapieansätze, Gruppenangebote oder Online-Ressourcen umfassen.
- Öffentlichkeitsarbeit und niedrigschwellige Angebote: Um betroffenen Frauen den Zugang zu Hilfsangeboten zu erleichtern, sollten gezielte Informationskampagnen und niedrigschwellige Kontaktmöglichkeiten geschaffen werden. Dabei ist es wichtig, Stigmatisierung zu vermeiden und einen unterstützenden Ansatz zu verfolgen.
- Forschung und Evaluation: Weitere Studien sind notwendig, um die Charakteristika und Bedürfnisse von Frauen mit sexuellem Interesse an Kindern besser zu verstehen. Präventions- und Behandlungsprogramme sollten wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden, um ihre Wirksamkeit für diese spezifische Gruppe zu überprüfen.
Fazit:
Die Studie von Tozdan et al. (2022) liefert wichtige Erkenntnisse über Frauen mit sexuellem Interesse an Kindern und unterstreicht die Notwendigkeit, diese Gruppe in Präventions- und Therapieangeboten stärker zu berücksichtigen. Die Ergebnisse zeigen auch, dass viele betroffene Frauen ein Interesse an professioneller Hilfe haben – eine Chance, die genutzt werden sollte, um frühzeitig Unterstützung anzubieten.