Die unterschätzte Pandemie – Kindesmissbrauch als globale Herausforderung
22. Mai 2025
In einem eindringlichen Dialog stellt sich Prof. Dr. Dr. Klaus Michael Beier, Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin, den Fragen von Jerome Braun, dem Geschäftsführer der Deutschen Kinderschutzstiftung Hänsel+Gretel. Ausgezeichnet für seine Verdienste in der Prävention sexueller Gewalt und international anerkannt für seine Forschung, konfrontiert Prof. Beier die Gesellschaft mit der oft verharmlosten Dimension des sexuellen Kindesmissbrauchs (SKM) und den systemischen Herausforderungen seiner Bekämpfung. Das Gespräch beleuchtet, warum trotz der alarmierenden Fakten adäquate Reaktionen oft ausbleiben, welche Rolle das Internet spielt und welche innovativen, wenn auch unbequemen Wege – insbesondere in der Prävention bei potenziellen Verursachern – beschritten werden müssen.
Prof. Beier klassifiziert SKM als weltweite Pandemie, die „Hunderte von Millionen von Opfern“ fordere und deren Ausmaß eher „zugenommen“ habe. Er betont die Notwendigkeit, neben dem Opferschutz eine konsequente „verursacherbezogene Prävention“ zu etablieren, denn es sei entscheidend, „auch die Verursacher in den Blick nehmen.“
Das Internet, so Beier, verschärft die Problematik durch „die sehr leichte Zugänglichkeit“ von Missbrauchsdarstellungen und als Plattform für Anbahnungsdelikte. Er kritisiert systemische Defizite und eine zögerliche Haltung bei der Finanzierung umfassender Maßnahmen, da oft „die Kosten gescheut werden.“
Die Opfer von SKM leiden häufig unter gravierenden Langzeitfolgen, sind neurobiologisch betrachtet oft „unter Dauerstress.“ Für die Zukunft sieht Prof. Beier erhebliches Potenzial im Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI): „Ich bin der festen Überzeugung, dass man mit Hilfe der künstlichen Intelligenz in diesen Feldern massiv zur Verbesserung beitragen kann,“ etwa zur Detektion von Missbrauchsinhalten oder zur Unterstützung anonymer Hilfsangebote für potenzielle Verursacher.