Vom Erstkontakt bis zur Nachsorge: Therapie bei „Kein Täter werden“
19. September 2019
Herr B. ist pädophil und leidet darunter. Seine Eltern haben kein Verständnis für seine sexuelle Präferenz, er ist arbeitslos und fällt in Depressionen. Als er schließlich Missbrauchsabbildungen konsumiert, zieht er die Reißleine: Es muss sich etwas ändern, er muss sich Hilfe holen. Ein fiktiver Projektteilnehmer durchläuft eine Therapie bei „Kein Täter werden“. Hier kann man alle Etappen der Therapie vom ersten Anruf beim Projekt bis zur Nachsorgegruppe miterleben.
Transkript
Podcast des Präventionsprojekts „Kein Täter werden“ vom Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Charité Berlin.
Willkommen zur zweiten Folge des Podcasts „Kein Täter werden“.
In dieser Folge wird ein Projektteilnehmer den kompletten Ablauf einer Therapie – vom ersten Anruf bei der Hotline bis zur Nachsorgegruppe nach Abschluss der Therapie – durchleben. Dieser Fall ist fiktiv. Die Stimme des Betroffenen in dieser Podcastfolge gehört keinem echten Patienten.
Sprecherin:
Herr B. aus einer Kleinstadt spielt am liebsten mit sieben- bis neunjährigen Mädchen – schon als er selbst noch in der Pubertät ist. Er wird durch ihren Anblick auch sexuell erregt. Heute ist er Anfang 20. Mit 18 Jahren hat er seinen Eltern offenbart, dass er sich zu Kindern hingezogen fühlt. Das Entsetzen, die Ablehnung zu Hause sind groß. Herr B. will gerne eine Ausbildung zum Erzieher machen, aber seine Mutter untergräbt diese Pläne, indem sie ihrem Sohn droht, ihn bei infrage kommenden Einrichtungen in der Kleinstadt zu outen. Sie sagt ihm immer wieder: „Man muss dich vor dir selbst schützen!“
Zu einem anderen Beruf oder einem Umzug kann Herr B. sich nicht durchringen. Er ist arbeitslos, fällt in Depressionen. Er wohnt aus Geldmangel und Antriebslosigkeit immer noch zu Hause, obwohl seine Eltern seine Präferenz offen ablehnen und ihn ständig zu Therapien drängen, um sich das „abzugewöhnen“, wie sie sagen.
Vor Kurzem hat Herr B. zum ersten Mal Missbrauchsabbildungen genutzt und schämt sich nun dafür. Er hat Angst, in einen Abwärtsstrudel zu geraten. Es muss sich etwas ändern. Herr B. will verstehen, was mit ihm los ist. Er will seine Depressionen loswerden, den Druck, sich immer wieder vorzustellen, was er alles mit der kleinen Nachbarin machen möchte. Er möchte sich ein eigenes Leben in einer anderen Stadt fern der Eltern aufbauen.
Schließlich sucht er im Internet nach Adressen und stößt auf das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ (KTW). Es vergehen dennoch Wochen, bis er endlich zum Hörer greift.
Erste Kontaktaufnahme, PIN-Vergabe und Terminabsprache
Mitarbeiterin (am Telefon):
„Präventionsprojekt ‚Kein Täter werden‘, Schmidt, hallo.“
Herr B. (zögerlich):
„Ja, hallo …“
Mitarbeiterin:
„Hallo. Schön, dass Sie anrufen. Es scheint Ihnen ein bisschen schwerzufallen zu sprechen, richtig?“
Herr B.:
„Ja …“
Mitarbeiterin:
„Sie rufen an, weil Sie bei uns eine Therapie machen möchten?“
Herr B.:
„Naja, ich habe von dem Projekt gelesen und dachte, vielleicht melde ich mich mal, um etwas abzuklären …“
Mitarbeiterin:
„Gut, ich würde Ihnen erst einmal ein bisschen was zu unserem Projekt erklären, in Ordnung?
Also zunächst müssen Sie mir gar nicht Ihren Namen nennen, wir arbeiten komplett anonym. Ein Pseudonym oder eine E-Mail-Adresse wäre für uns aber praktisch. Gibt es bei Ihnen denn gerade einen konkreten Anlass, warum Sie sich heute entschieden haben, hier anzurufen?“
Herr B.:
„Naja, so ganz konkret nicht. Ich überleg das jetzt schon länger. Im Sommer ist es manchmal schwieriger für mich … Ich hatte letzte Woche wieder so eine Situation, wo ich unterwegs war und dann bin ich durch den Park gelaufen. Da war dann so eine Gruppe von Kindern, die ein bisschen leicht bekleidet waren. Und dann bekomme ich Schweißausbrüche, das ist ganz schwierig für mich. Ich hab halt so … ich hab halt so komische Gedanken, laufe dann weiter, aber danach bin ich total fertig. Und da dachte ich, melde ich mich mal bei Ihnen …“
Mitarbeiterin:
„Das ist bestimmt nicht leicht, das glaube ich Ihnen. Erst einmal vielen Dank, dass Sie sich hier melden, das ist wirklich verantwortungsbewusst, was Sie da tun. Wie sieht es denn aktuell aus? Haben Sie momentan Kontakt mit der Justiz wegen sexuellem Missbrauch von Kindern oder wegen der Nutzung von Missbrauchsabbildungen?“
Herr B.:
„Nein …“
Herr B. hat sich also an die Hotline des Präventionsprojekts gewandt und damit den ersten wichtigen Schritt getan, um sich helfen zu lassen. Er hätte auch per E-Mail unter einer anonymen Adresse an „Kein Täter werden“ schreiben können.
Am Telefon wird keine Ferndiagnostik durchgeführt, sondern nur abgeklärt, ob der Anrufer aktuell mit dem Gesetz in Konflikt steht, also im sogenannten Hellfeld ist. Zwar richten sich die Angebote von KTV vor allem an Menschen, die noch nie übergriffig geworden sind oder bei denen ein Missbrauch nicht entdeckt wurde (Dunkelfeld), aber auch einem Anrufer aus dem Hellfeld würde ein Hilfsangebot gemacht, zum Beispiel ein Hellfeldtermin.
Herr B. ist aktuell nicht im Kontakt mit der Justiz. Weitere Faktoren sprechen dafür, dass er pädophil ist und sich für eine Teilnahme am KTV-Angebot eignet. Er fühlt sich zu kleinen Mädchen hingezogen, leidet unter seiner sexuellen Präferenz und möchte sich helfen lassen. Aber, wie gesagt, die Diagnostik erfolgt nur persönlich.
Er erhält zur Anonymisierung eine automatisch erzeugte persönliche Identifikationsnummer, eine sogenannte PIN. Die Kontaktdaten dahinter werden in eine Kontakt- und Verlaufsdatenbank aufgenommen. Abschließend vereinbart die Mitarbeiterin mit Herrn B. einen Termin für ein erstes persönliches Gespräch am Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Charité in Berlin. Es gibt jedoch auch elf weitere Standorte von KTV in ganz Deutschland.
Mitarbeiterin (am Telefon):
„Gut, dann haben wir jetzt einen Termin. Wenn Ihnen irgendetwas dazwischenkommt, sagen Sie uns einfach kurz Bescheid. Und vielen Dank, dass Sie angerufen haben – Ihnen noch einen schönen Tag!“
Herr B.:
„Okay … tschüss.“
Erstes Gespräch mit einer Therapeutin: Klinisches Interview
Therapeutin:
„Wie schön, dass Sie zu unserem Termin gekommen sind. Ich erkläre kurz, was wir in den nächsten Stunden vorhaben. Wir beginnen mit einem persönlichen Gespräch, in dem ich mit Ihnen Ihren psychologischen und sozialen Hintergrund erhebe und bespreche, was Sie hierher geführt hat. Vor allem geht es dabei um Ihre sexuelle Präferenz, was Sie bisher an Verhalten erlebt oder umgesetzt haben, damit wir am Ende gemeinsam sehen, wie wir Ihnen in unserem Projekt am besten helfen können.“
Heute lernt Herr B. eine Therapeutin kennen, die eine vertiefende sexualtherapeutische Zusatzausbildung hat. Die Therapeutin stellt anhand verschiedener Methoden eine Diagnose – natürlich ebenfalls anonym. Im Erstgespräch geht es darum herauszufinden, welche sexuelle Präferenz Herr B. genau hat und ob er am Behandlungsprogramm teilnehmen kann:
- Ist Herr B. wirklich nur an Mädchen mit vorpubertärem Körperschema (pädophil) interessiert?
- Oder vielleicht auch an Mädchen in der Pubertät (hebephil)?
- Erregen ihn auch Jungs?
Gefragt wird nach dem aktuellen Anlass der Kontaktaufnahme, nach dem erhofften Ziel der Therapie, nach der Familiengeschichte, schulischen und beruflichen Entwicklungen, dem sexuellen Erleben im Laufe des Lebens, den sexuellen Fantasien, möglichen Konflikten mit dem Gesetz wegen Übergriffen oder Konsums von Missbrauchsabbildungen und nach körperlichen oder psychischen Vorerkrankungen.
Therapeutin:
„Gut, vielen Dank. Das wäre es für heute erst einmal von meiner Seite. Haben Sie noch Fragen, bevor es weitergeht?“
Herr B.:
„Äh … nee, für heute nicht. Eher, wie es danach so weitergehen kann.“
Therapeutin:
„Ja, in Ordnung. Heute ist es so, dass Sie gleich noch eine Kollegin kennenlernen, die die Fragebogentestung mit Ihnen durchführt. Sie können jederzeit Pausen machen, etwas trinken oder Kaffee bekommen, was Sie gerade brauchen. Wenn Fragen sind, sprechen Sie die Kollegin einfach an. In etwa zwei Wochen sehen wir uns dann noch einmal und besprechen, wie wir Ihren Gruppeneintritt planen und wann es mit der Psychoedukationsgruppe losgeht.“
Zu Forschungszwecken muss Herr B. außerdem Fragebögen am Tablet ausfüllen. Der erste Kontakt dauert – einschließlich Gesprächen und Tests – insgesamt vier bis fünf Stunden. Sollte sich dabei sofort zeigen, dass keine Pädophilie vorliegt, die Person aber an einem anderen psychischen oder physischen Problem leidet, werden mögliche Hilfewege außerhalb des Präventionsprojekts aufgezeigt.
Risikoprognose: Fallbesprechung unter den Therapeut*innen
Therapeutin A:
„Also nach dem, was er berichtet hat, hat er bisher ausschließlich Missbrauchsabbildungen genutzt. Aber seine Verhaltenskontrolle scheint schon seit Längerem eigentlich recht stabil zu sein. Nichtsdestotrotz mache ich mir Sorgen, er wirkt sehr verzweifelt.“
Therapeutin B:
„Ja, gleichzeitig scheint er erleichtert, dass er jetzt den ersten Schritt gemacht hat.“
Die Therapeut*innen im Projekt „Kein Täter werden“ halten regelmäßig klinische Fallbesprechungen ab. Hier wird final geklärt, ob Herr B. am Behandlungsprogramm teilnehmen kann. Man bewertet anhand des Protokolls des Erstgesprächs die genaue sexuelle Präferenz sowie das Risiko, dass er entweder übergriffig wird oder sich selbst schadet. Weiter wird geprüft, ob Suchtprobleme oder psychiatrische Erkrankungen vorliegen oder ob Herr B. unterdurchschnittlich intelligent ist – und welcher Gruppe er zugeordnet wird:
- Gruppe der Nichttäter
- Gruppe der ausschließlich Nutzer von Missbrauchsabbildungen („Kinderpornografie“)
- Gruppe der ausschließlich sexuellen Missbrauchstäter
- Gemischte Tätergruppe
Daraus ergibt sich auch die Dringlichkeit der therapeutischen Intervention und die Wahl der geeigneten Mittel. Schließlich überlegen die Therapeut*innen gemeinsam, ob Herr B. zunächst eine Einzeltherapie benötigt, bevor er an der Gruppentherapie teilnehmen kann.
Therapeutin A:
„Ich denke, es wäre für ihn sehr entlastend, gleich in die Gruppe zu gehen und möglichst schnell zu erfahren, dass es vielen anderen ähnlich geht wie ihm.“
Psychoedukation: Gruppentherapie
Therapeutin:
„Schön, dass Sie fast alle gekommen sind. Wir treffen uns jetzt jeden Dienstagnachmittag für die nächsten vier bis fünf Wochen. Diese ersten Treffen dienen dazu, dass wir uns etwas kennenlernen, schauen, was Ihre Motivation ist und welche Therapieziele Sie sich wünschen. Außerdem wollen wir ein paar grundlegende Dinge über sexuelle Präferenzen und sexuelles Verhalten besprechen – gewissermaßen, um die Therapie einzuleiten.“
Gruppenteilnehmer:
„Ja, aber wir sind hier ja schon alle ziemlich unterschiedlich vom Alter her, oder?“
In den vier bis fünf Sitzungen à 100 Minuten lernen die Teilnehmer*innen in bewusst heterogen zusammengesetzten Gruppen häufig zum ersten Mal Menschen kennen, die sich – wie sie selbst – aufgrund ihrer sexuellen Neigung stark stigmatisiert fühlen. Das entlastet und schafft Vertrauen.
Die Therapeut*innen informieren zunächst über Phasen und Ablauf der Therapie, erklären die therapeutische Schweigepflicht, erarbeiten erste, realistische Therapieziele und ergründen die individuellen Stärken der Teilnehmenden. Sie vermitteln Grundlagen zu Sexualität, zu verschiedenen Formen sexuellen Erlebens, Risiko- und Schutzfaktoren für problematisches oder strafrechtlich relevantes Verhalten. Auch über die freiwillige medikamentöse Therapie (Triebminderung) wird informiert.
Am Ende dieser „Psychoedukations-Phase“ entscheidet sich, welcher der halboffenen Therapiegruppen der Patient anschließend zugeordnet wird. Die Therapeuten ermitteln diese Zuordnung anhand des jeweiligen Risikoprofils und Therapiebedarfs.
Herr B. (am Ende der Psychoedukationsphase):
„Mann, ich hätte echt nicht gedacht, dass ich mich bei so einem ersten Gruppentermin eigentlich ganz gut verstanden fühle von euch anderen. Es hat total den Druck rausgenommen.“
Therapeutin (Einzelgespräch):
„Bevor Sie in meine Gruppe kommen, möchte ich gern hören, welche Erkenntnisse Sie für sich aus den bisherigen Sitzungen gewonnen haben. Was ist noch unklar? Wo sehen Sie Ihre persönlichen Ziele?“
Herr B.:
„Also zunächst mal fand ich die bisherigen Termine erstaunlich gut. Ich hatte am Anfang große Bammel, aber es war ein gutes Gefühl, auf andere zu treffen, und das hat viel Druck genommen. Ich glaube, es ist richtig für mich, in die Therapiegruppe zu gehen.“
Bevor Herr B. in die neu zusammengesetzte Gruppe geht, spricht er mit seinem künftigen Gruppentherapeuten noch einmal über seine sexuelle Präferenz, seine Fantasien und sein aktuelles Verhalten, mögliche Schwierigkeiten mit Angehörigen, im Beruf oder wegen anderer psychischer Probleme. Dabei wird auch geklärt, wie stark sein sexuelles Begehren ist und wie schwer es ihm fällt, es zu kontrollieren. Wie motiviert ist er für den nächsten Therapieschritt?
Gemeinsam werten sie die zuvor ausgefüllten Fragebögen aus und formulieren neue Therapieziele: Was wurde bereits erreicht? Was muss weiter vertieft werden? Auf was will er in Zukunft verzichten? Abschließend unterzeichnet Herr B. die Therapievereinbarung.
Therapeutin:
„Ich höre heraus, dass es mit Ihren Eltern keine gute Gesprächsebene gibt, weil sie sich mit dem Thema Pädophilie nicht näher befassen wollen. Gleichzeitig ist ihnen aber wichtig, dass es Ihnen gutgeht, oder?“
Herr B.:
„Ja, irgendwie schon. Ich bin deren einziges Kind, sie lieben mich schon, aber glauben halt, man müsste das irgendwie ‚abtrainieren‘. Die verstehen nicht so genau, was hier gemacht wird. Und sie fragen sich ständig, was sie selber falsch gemacht haben, dass ich so geworden bin. Bisher kriegen wir das nicht gut geregelt …“
Therapeutin:
„Ich würde vorschlagen, wir laden Ihre Eltern doch mal zu einer unserer Angehörigengruppen ein. Was meinen Sie?“
Herr B.:
„Ja, vielleicht wäre das gut. Aber ob die das wirklich machen wollen, weiß ich nicht …“
Eltern von Herrn B.:
„Tja, wir haben wirklich alles für unseren Sohn getan. Er war im Fußballverein, wir haben ihm nie den Kopf abgerissen, wenn es in der Schule nicht so gut lief. Wir sind als Familie oft verreist und haben in seiner Pubertät geduldig seine Launen ertragen. Er durfte immer Freunde mit nach Hause bringen, hat das aber kaum gemacht. Stattdessen spielte er häufig mit den kleinen Mädchen aus der Nachbarschaft, aber das kam uns nie komisch vor. Im Gegenteil, wir waren sogar stolz, dass er so gut mit Kindern umgehen kann. Und jetzt? Was würden die Nachbarn denken, wenn sie wüssten, was mit ihm los ist … da könnten wir glatt umziehen.“
Angehörigengruppe
In der offenen Angehörigengruppe können sich Partner*innen, Kinder, Geschwister, Eltern oder auch andere Angehörige über die sexuellen Präferenzen informieren und austauschen. In kleinen Gruppen von bis zu sechs Personen können Sorgen, Ängste, Schuldgefühle und Selbstzweifel in vertrauensvoller Atmosphäre ausgesprochen werden. Hier lernen die Anwesenden voneinander, wie sie mit ihren Befürchtungen besser umgehen können. Mit der Zeit wächst das Verständnis für den Angehörigen, was ihm wiederum hilft, sich weniger einsam zu fühlen.
Mutter (am Ende einer Angehörigensitzung):
„Ich danke Ihnen allen für Ihre offenen Ohren. Zum nächsten Treffen in zwei Monaten komme ich bestimmt wieder. Mein Sohn hat ja noch einen langen Weg vor sich …“
Gruppentherapie: Beispielhafte Szene
Herr B.:
„Also ich kann ja wenigstens sagen, ich habe noch nie ein Kind angefasst, nur Bilder geguckt und konsumiert.“
Therapeutin:
„Und glauben Sie, dass die Kinder auf den Bildern, die Sie betrachtet haben, nicht auch missbraucht wurden?“
Herr B.:
„Ja, das weiß ich nicht … aber ich habe sie ja nicht angefasst, ich kenne sie gar nicht. Ich hab ja nichts mit ihnen gemacht.“
Therapeutin:
„Versuchen Sie sich mal vorzustellen: Wie würden Sie sich fühlen, wenn eine Freundin Sie drängt, sich nackt vor der Kamera zu zeigen, Sie klar erkennbar sind, und sie dieses Video dann im Internet gegen Ihren Willen verkauft?“
In rund 50 Gruppensitzungen werden verschiedene Module bearbeitet, bei denen es um Wahrnehmung, Emotionen, Selbstbild, Intimität, Vertrauen, soziale Beziehungen und Bewältigungsstrategien geht. Wichtig ist auch das Modul zur Empathie- und Perspektivübernahme, in dem der Patient die Rolle des realen oder fantasierten Opfers einnehmen und mitfühlen lernen soll.
Häufig bekommen die Teilnehmer*innen kleine Hausaufgaben, etwa zur Reflexion. Und immer wieder füllen sie Fragebögen aus, um den Therapieverlauf zu erfassen und wissenschaftlich auszuwerten.
Abschluss der Therapie und Nachsorge
Therapeutin:
„Sie sagen, dass Sie sich jetzt so gefestigt fühlen, dass Sie die Therapie beenden möchten, stimmt das?“
Herr B.:
„Ja, also … ich glaube, ich habe hier viel gelernt. Und mir ist wirklich klar geworden, dass mich diese Anziehung zu vorpubertären Mädchen schon lange begleitet und wohl auch bleiben wird. Das habe ich jetzt akzeptiert. Ich finde, ich habe genug Strategien gelernt und ausprobiert, um mich in schwierigen Situationen zu kontrollieren, und damit geht es mir besser. Ich kriege keine Schweißausbrüche mehr, wenn ich ein passendes Kind sehe, und ich bin mir sicher, dass ich dem Impuls, sexuelle Handlungen mit kleinen Mädchen einzugehen, niemals nachgeben werde. Gleichzeitig bin ich froh, dass ich weiß, wie ich jetzt besser damit umgehen kann. Ich merke, ich muss mich nicht in gewisse Situationen begeben, wenn ich ohnehin schon angeschlagen bin. Und das reicht mir, damit ich gut klarkomme.“
Therapeutin:
„Es freut mich, dass Sie zu dieser Einschätzung kommen. Mein Eindruck ist auch, dass Sie in den letzten Monaten sehr intensiv über Ihre Lage nachgedacht haben und insgesamt ruhiger geworden sind. Aber Sie wissen, es kann immer mal Rückschläge geben. Deswegen lade ich Sie herzlich ein, in unsere Nachsorgegruppen zu kommen, falls Sie das Bedürfnis verspüren.“
Nach etwa 50 Gruppensitzungen treffen sich Patient und Therapeut*innen zu einem Abschlussgespräch. Der gesamte Therapieverlauf wird anhand der Notizen reflektiert. Der Therapeut oder die Therapeutin gibt offen und transparent eine Einschätzung zu den Erfolgen und noch bestehenden Risiken. Falls weiterer Therapiebedarf gesehen wird, werden neue Ziele festgelegt und nach drei Monaten erneut geprüft, ob sie erreicht wurden. Sind die Fortschritte stabil, kann die Therapie enden. Die Möglichkeit zu einer späteren Wiederaufnahme besteht; zudem gibt es die Nachsorgegruppe zur weiteren Stabilisierung.
Herr B. besucht noch ein Jahr lang die Nachsorgegruppe. Inzwischen lebt er in einer Großstadt, macht eine Ausbildung zum Optiker und hat einen kleinen Freundeskreis gefunden. Mit seinen Eltern steht er weiterhin in regelmäßigem Kontakt und kann offen über Krisen sprechen, die ihn ab und zu heimsuchen. Besonders seine Mutter reagiert nun verständnisvoller.
Weitere Informationen über das Präventionsprojekt „Kein Täter werden“ und die Therapie finden Sie unter
www.kein-taeter-werden.de.
Dort sind auch die Kontaktadressen und Hotline-Zeiten der bundesweiten KTV-Standorte vermerkt.
Auf Wiederhören!